Unzufrieden mit öffentlichem Nahverkehr

Alicja Bienger, Verena Scheuerle und Felicitas Schück, 08.05.2014

 

Mit den Themen Bildung, Ausbildung und Studium befasst sich diese Gruppe. Foto: BiengerFoto: Schwarzwälder-Bote

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Gleich zu Beginn der Diskussionsrunden kristallisiert sich heraus, was die Jungwähler im Schwarzwald-Baar-Kreis am meisten bewegt. Das Thema zieht sich wie ein roter Faden quer durch alle Gruppen – insgesamt acht an der Zahl – hindurch: Mobilität, Mobilität und nochmals Mobilität. Es wird deutlich: Die Schüler und Studenten sind unzufrieden mit dem öffentlichen Nahverkehr. Jan von der Christy-Brown-Schule wünscht sich, dass eine Art Kennzeichen an den Bussen und Zügen angebracht wird, "dass die Rollstuhlfahrer mitnehmen. Wenn die einem nämlich nicht mitnehmen, dann ist das blöd". Darüber hinaus regt er eine virtuelle Mitfahrzentrale an, mit Hinweisen darauf, ob die Mitfahrgelegenheiten im Auto auch für Körperbehinderte geeignet sind.

Zu wenige Busse, die am Wochenende verkehren, keine Nachtbusse, die jugendliche Partygänger von A nach B bringen, mangelhafte Barrierefreiheit obendrein, kritisieren die Jungwähler, die in die künftige Verkehrsplanung eingebunden werden wollen. Selbst die Gruppe, die sich eigentlich mit dem Thema "Bildung, Ausbildung, Studium" befasst, gibt getreu dem Motto der Veranstaltung ihren Senf dazu, wenn’s ums Thema Bus und Bahn geht. Ein klares Signal an die Kreistagskandidaten: Hier herrscht massiv Verbesserungsbedarf.

Doch nicht nur hier. In Sachen Bildung und Ausbildung bemängeln die Schüler und Studenten, die gestern im Rahmen der Jungwähler-Infoveranstaltung "Was uns bewegt – Gib deinen Senf dazu" im Landratsamt Villingen mit Kreistagsabgeordneten und -kandidaten über acht verschiedene Themenbereiche diskutierten, beispielsweise die mangelhafte Berufsvorbereitung in den Schulen.

Ihr Vorschlag: "Unternehmen und Schulen sollten besser miteinander kooperieren", sagt Jennifer Messner bei der Gruppendiskussion, an der sich auch die Kreistagskandidatin Stephanie Häußler-Gnirß (Freie Wähler Vereinigung) und Kreisrätin Kordula Kugele (Grüne) sowie die beiden Kreisräte Linda Arm (SPD) und Thomas Ettwein (CDU) beteiligen. Die 16-Jährige bemängelt: "Viele haben falsche Vorstellungen von verschiedenen Berufen. Man sollte insbesondere soziale Berufe aufwerten", findet sie. Diesen Missstand könne man beispielsweise durch häufigere Firmenbesuche aufheben.

Auch in anderen Gruppen wird an diesem Nachmittag eifrig diskutiert. Nach einer kurzen Kennenlern-Phase, einem "Speed-Dating" zwischen Jungwählern und Politikern, wird im "World Café" all das angesprochen, was den 16- bis 21-Jährigen am meisten unter den Nägeln brennt.

"Es war sehr interessant, mit einem Politiker ins Gespräch zu kommen, der viel Hintergrundinformation und Erfahrung mitbringt", meint Tobias Schwer, der sich mit Adolf Baumann (FDP) über Ehrenamt und Generationsgerechtigkeit unterhält.

Die Gruppe kommt unter anderem zu dem Schluss, dass das ehrenamtliche Engagement aufgewertet werden sollte. Man fühle sich, als nutze der Staat das Ehrenamt aus, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Außerdem sollen Fähigkeiten, die in einer ehrenamtlichen Aktivität zum Ausdruck kommen, einen beruflichen Abschluss ermöglichen. Ihre Ziele schreibt jede Gruppe auf eine Senfdose, damit sie "ihren Senf dazugeben" kann, und stellt sie anschließend in großer Runde allen vor.

"Ich werde mit leuchtenden Augen nach Stuttgart zurückkehren", bekennt Landtagspräsident Guido Wolf, der sich im Sitzungssaal des Landratamtes "wie zuhause" fühlt. Er ist begeistert vom Auftakt der landesweiten Initiative unter seiner Schirmherrschaft. Nach einem Jugendparlament im vergangenen Jahr finden im Land Jugendkonferenzen statt.

Die Veranstaltung im Schwarzwald-Baar-Kreis sei für die Landeszentrale für politische Bildung "eine besondere", weil sie auf Kreisebene stattfinde und die Ergebnisse in die Demografiestrategie des Kreises einmünden sollen, erklärt Thomas Waldvogel. "Gebt euren Senf dazu, in die Situation werdet ihr so schnell nicht wieder kommen", appellierte er an die 63 Schüler von 15 Schulen des Kreises, diemit Kommunalpolitikern ihre Wünsche zu den Themen Bildung, Ausbildung, Studium, Integration, Inklusion, Ehrenamt, Generationengerechtigkeit, Tourismus, Mobilität, und Energie formulierten. Auch für Daniel Bühl vom Landesjugendring, der Kooperationspartner ist, ragt die Jugendkonferenz im Schwarzwald-Baar-Kreis heraus. "So eine Veranstaltung sollte es öfters geben", ist der mehrfach geäußerte Wunsch der Erstwähler. Mit dem Schwarzwald-Baar-Kreis als Lebensraum sind sie zufrieden, loben die intakte Natur und den gelungen Einklang von Stadt und Land.

Landrat Sven Hinterseh will die Ergebnisse der Veranstaltung dokumentieren und im Herbst den neu gewählten Kreisräten vorstellen. Die Spanne der Kandidaten für den Kreistag reicht von dem 20-jährigen Jan Griese bis zu Lukas Duffner, der Jahrgang 1929 ist. Ungefähr 59 Kreisräte werden nach dem neuen Wahlverfahren mit Ausgleichsmandaten in den Kreistag kommen.

"Wer sich für zu klug hält, um zu wählen, wird am Ende von Dümmeren regiert"

"Gemeinwesen ist mehr als Geld und Haushalt", betonte Guido Wolf. "Geld ist zwar viel, aber nicht alles". Demokratie bedeute, eine Mehrheit für ein Ziel zu finden und könne "ganz schön hart sein", so Wolf, der "an einen Bahnhof, der in der Lage war, eine Stadt zu spalten", erinnerte. Man müsse sich auch mit den Argumenten der Minderheit auseinandersetzen, wenn man die Mehrheit habe. Der Landtagspräsident appellierte an die Schüler, die Tageszeitung zu lesen, um sich politisch zu bilden und von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Das ist nämlich eine Riesenchance". Er zitierte Plato: "Wer sich für zu klug hält, wählen zu gehen, läuft Gefahr, von Leuten regiert zu werden, die dümmer sind als er."